Zettel, Stift und viel Geduld - Die Schülerzeitungen am Ahorn - Gym
Teil I : Von Klopsen mit Knorpeln und
anderen festen Beziehungen
Das Beste aus den sieben Schülerblitzen
Über ein Jahr lang währte
die Erscheinungsperiode der Schülerzeitung
Schülerblitz" an unserer Schule. 1992 setzten sich
hauptsächlich Schüler(innen) der damaligen siebten Klassen
zusammen und schufen so ein Schulmedium, das manchen Staub
aufwirbelte.
So bekam die Zeitung zum Beispiel von entsprechender Stelle herbe Kritik, als die Zustände der Schülerspeisung kritisiert wurden. In der sechsten Ausgabe hieß es:
...was ich hier auf dem Teller habe, sind feine Klopse mit leckeren Knorpeln, Gummikartoffeln leicht getrocknet, dünne Salzsoße mit drei Kapern, als Nachtisch feines Wassereis, billigste Sorte mit Farb- und Aromastoffen...wieso auch den Apfel Zuhause zu Apfelbrei zerreiben, wenn man das ganze (energiesparend) mit der Eingangstür machen kann. Künstlerische Kreativität ist auch bei der weiteren Gestaltung der Essenhalle gefragt. Also wird mal ausprobiert, ob der grünlichen Wand ein Dany-Schokopudding (der mit der echten Schlagsahne), schön mit Schwung draufgeworfen, steht..."
Die Antwort auf eine so deutliche Beschwerde
ließ natürlich nicht lange auf sich warten. Der
Geschäftsführer Helmcke lud die ganze Redaktion in die
Hanse-Menü-Küche in Lichtenhagen und hinterher ins Restaurant
Nordlicht ein, wo sie mit belegten Brötchen vollgestopft wurde.
Das aktuelle Mittagsmenü mußte natürlich auch gekostet werden!
Aber auch sonst versuchte der Schülerblitz" immer da
am Drücker zu sein, wo in unserer Schule etwas los war. Herr
Schöne mußte sich zu den fast 20 Einbrüchen äußern, und der
bauliche Zustand der Schule wurde aufs Korn genommen.
Schule oder Ruine, das ist hier die Frage". In der
OSTSEE-ZEITUNG vom 30.9.1993 heißt es: Häufig
Überschwemmungen in der Mädchentoilette, nasse Decken in der
Bibliothek und damit nasse Bücher, immer wieder abfallende
Kacheln vom Gebäude - so beschreibt die Zeitung Schülerblitz
den Zustand des Gymansiums-Nord in seiner jüngsten
Ausgabe." Ob der Artikel auch Einfluß
auf die halbe Million hatte, die unsere Schule dann für
Sanierungsarbeiten bewilligt bekam, ist natürlich ungewiß.
Nachdem sich die ehrgeizigen Schreiberlinge nicht mehr damit
zufriedengaben, auf zwölf A5 Seiten zu erscheinen, suchte man
nach Sponsoren. Jede Kopie war ein Gewinn. Die größte Hilfe war
in dieser Zeit der Kopier & Elektronik Service und auch
McDonalds. So sah die Zeitung immer ein wenig anders aus, hatte
aber mit 150-200 Exemplaren eine breite Leserschaft.
Und fürs Leben lernen konnte man auch: Zum Beispiel über die Geschichte der Kondome: "Damals stellte man sie aus Ziegenblasen, Tierdarm oder ähnlichen undurchlässigen Materialien her. Ganz Vornehme ließen sie sich sogar mit Samt auslegen. Notwendig waren Kondome schon damals. Schließlich wäre es sehr peinlich gewesen, wenn das neugeborene Kind der Gräfin dem Stallknecht ähnlich gesehen hätte." Und wo wir schon beim Thema sind, bleibt zu erzählen, daß Frau Both ihre erste feste Beziehung mit 17 hatte, genau wie Frau Gagalon, deren schlechteste Zensur auf dem Abi Zeugnis eine 4 in Physik war (Herr Seifert hatte seine erste Beziehung übrigens mit 15 und sie hielt fast vier Jahre!).
Über Herrn Kusche erfuhr man, daß er eigentlich
Pilot werden wollte und auch noch Erdölbohrer war. Auch eine
Kinderärztin durfte sich zu Wort melden und den Schülern
erklären, wie wichtig doch das Schulfrühstück ist. Sonst ging
es teilweise recht wissenschaftlich zu; drei Redakteure aus der
damaligen Zehnten waren auf die Hannover Messe eingeladen. Der damalige Wirtschaftsminister Lehmet gab zu
diesem Anlaß eine kleine Pressekonferenz: "Nachdem wir
längere Zeit auf ihn gewartet hatten und er die Sektbegrüßung
hinter sich gebracht hatte, durften wir ihm Fragen stellen, auf
die er jedoch nur unzureichende Antworten gab. Aber das ist ja
bei Politikern nicht gerade unüblich...Wenn es in
Mecklenburg-Vorpommern keine Ausbildungs- und Arbeitsplätze
gibt, müssen wir eben in andere Bundesländer ziehen. (Wahnsinn,
wie die Politiker nur immer zu solchen Erkenntnissen kommen.) Na
ja, und nach drei Fragen mußte er sich sowieso um andere Stände
kümmern." berichtete der Schülerblitz.
Irgendwann im Herbst 1993 wandten sich alle Redakteure, von denen es die meisten sowieso nur kurz beim Schülerblitz aushielten, anderen und dankbareren Aktivitäten zu.
Teil II: First Aid" oder The Show Must Go On..."
Fast drei Jahre nach dem Untergang der ersten Schülerzeitung unserer geliebten Schule, gründeten einige Schüler der damaligen neunten und elften Klasse mit der tatkräftigen Unterstützung von Frau Clasen eine Zweite mit dem sehr aussagekräftigen Titel First Aid"(Erste Hilfe"). Was war damit gemeint? Sollte man den Redakteuren eben diese zukommen lassen, weil sie versuchten, an die glorreiche Tradition des Schülerblitzes" anzuschließen? Oder war es die erste Hilfe" , die man den paar übrig gebliebenen Schülern leistete, indem man sie mit diesem pseudo-journalistischen Werk vom Unterricht ablenkte und sie somit vom sicheren Einschlafen abhielt? Oder war es nur eine versteckte Reklame für gleichnamige Software in der sonst werbefreien Zeitung? Genau wird es nur der Verwandte von der Redakteurin Alrun Seifert wissen (übrigens die einzige Schülerin, die an beiden Schülerzeitung mitwirkte) ,der sich den Titel ausdachte, nachdem nach langen Debatten noch kein Name für das neue Lieblingskind der schreibenden Zunft unserer Schule gefunden war.
Aber war die First
Aid" nur ein Nachfolger des Schülerblitzes"?
Eine schlecht gemachte Kopie? Nein! Während der
Schülerblitz" noch versuchte, die Schüler über
interessante Themen, wie Schülerspeisung, Rückenschule und
Pausenbrote zu informieren, hatten es sich die Redakteure der
First Aid" sich zur Aufgabe gestellt, den Schulapparat
(fast) ausschließlich zu unterhalten. Dazu war ihnen jedes
Mittel recht. So wurden Satiren verfaßt, CD- und Kinokritiken
veröffentlicht und nicht zuletzt die Versprecher der Schüler
und Lehrern veröffentlicht. Gerade letzteres, die sogenannten
Stilblüten", erfreuten sich wachsender Beliebtheit.
So konnte man auch so manchen Lehrer und so manches Elternteil
darüber lachen sehn. Und wenn ein Redakteur mal zu doll über
Schüler und Lehrer lästerte, mußte er nicht etwa zu einem
ernsten Gespräch bei unserem Direktor antanzen, nein, vielmehr
bereitete sich das arme Individuum besonders sorgfältig auf die
nächste Mathestunde vor, denn mit an Sicherheit grenzender
Wahrscheinlichkeit fand sich diese Person an der Tafel wieder und
durfte dort einige Aufgaben vorrechnen. Jaja, unser Herr
Direktor. Wenn es jemanden gab, der auf die nächste Ausgabe
gespannt wartete, dann war er es. Handgeschriebene Artikel,
Manuskripte u.ä. waren in Sicherheit zu bringen, wenn er
auftauchte. Obwohl er als erstes die neue Ausgabe in den Händen
hielt, war seine Neugier so groß, daß er (erfolglos) alle
Überredungskünste mobilisierte, um schon das halbfertige Heft
zu lesen.
Auch die Rätsel waren unter der Schülerschaft berühmt berüchtigt. Lösungen wurden so gut wie nie veröffentlicht. Und die Aufgabenstellungen waren so kompliziert, daß selbst ein bereits erwähnter Mathe-/Chemielehrer sie erst nach zweimaligem Erklären verstand.
Ein weitere alter bekannter in der Zeitung war das Druckfehlerteufelchen" das trotz gezielter Ausrottungsversuche (Rechtschreibkontrolle von Word 7.0) den weg in das Heft stand. Das Heft wurde mittlerweile auf dem PC eines Redakteurs erstellt, was das Blatt optisch anspruchsvoller machte.(Kommentar Frau Kramer: Keiner kennt ihn, alle wissen bescheid!) Kopiert wurden die Ausgaben kostenlos oder gegen einen geringen Obolus bei Verwandten und Bekannten, was Werbung überflüssig machte. Das erwirtschaftete Geld wurde dann dem Clubraum oder dem Schulfest zugeführt. Trotz des kurzen Erscheinungszeitraums der First Aid" gehörte sie zu einem wesentlichen Bestandteils des Schülerlebens.