Prähistorische
Architektur in Rostock
oder
Das war unser Ahorn-Gymnasium
Seit die Bildung entstanden ist,
gibt es Schulen, und zwar schier unzählig viele Arten. Nachdem
das graue Zeitalter von Internaten und Klosterschulen weitgehend
überstanden ist, die Jahre der Oberschule, der Erweiterten
Oberschule und der Polytechnischen Oberschule der Vergangenheit
angehören, besitzen wir seit 1991 auch in den neuen
Bundesländern ein System, welches im Grunde aus Hauptschule,
Realschule und Gymnasium besteht, in dem das Gymnasium seit jeher
die Bildungsanstalt mit den höchsten Leistungsanforderungen ist.
Man sollte deshalb meinen, daß diese wissenspendenden Objekte
mit besonderer Sorgfalt von der Obrigkeit gepflegt werden, so
daß es das Ziel eines jeden Eleven ist, die erste schwere
Prüfung seines Lebens mit der allgemeinen Hochschulreife hier
abzuschließen. Dieses traf 1991 sicherlich auf 99 % der Schüler
gesamtdeutscher Gymnasien zu. Der Rest, und dazu gehörte auch
unsere heißgeliebte, altehrwürdige Baumschule, das Gymnasium
Lütten Klein Nord (mittlerweile geändert in Ahorn-Gymnasium),
glich mehr einer Selektionseinrichtung, zur Ausbildung der
absoluten Elite im geistigen Bereich, in Deutschland. Einem Ort,
wo nur die Härtesten anfangen und durchkommen, diese aber nach
bestandener Prüfung den Stolz des Staates spüren durften. Wie
anders ist es zu erklären, daß die Schüler, welche die Räume
der drei Gebäude belebten, unter eigentlich unmöglichen
Bedingungen versuchen sollten zu lernen. Bedingungen, die so
unmöglich waren, daß sie an dieser Stelle erwähnt werden
müssen. Fangen wir bei der Außenansicht der Gebäude an. Sowohl
Haus 1, 2 und auch 3 hatten arge Probleme, den Putz an ihren
Mauern zu behalten. Die Dächer besonders bei Haus 1 und 3
glichen Schweizer Original Löcherkäse. Die Folge davon, bei
verstärktem Niederschlag (in Fachkreisen auch Regen oder Schnee
genannt) bekam zum einem die im Haus 1 befindliche Bibliothek ,
zum anderen die Schüler in den Räumen der 1.Etage in Haus 3
eine unfreiwillige Dusche, wegen des durchsickernden Wassers.
Klar, einigen tat es gut, um mal wieder gewaschen zu werden, aber
ehrlich gesagt, mußte das sein? Kurz gesagt, NÖÖ .
Aber zu weiteren Makeln. Auch die in der Schule vor tausend Jahren installierten Sanitäranlagen und Heizungen, stellten Schüler und Lehrer ein ums andere mal vor Probleme. Die Heizung, so oder so nur im Sommer in Funktion, weil im Winter die Leitungen einfroren, teilweise sogar platzten, war dabei noch eine der geringeren Schwierigkeiten.Das größte Chaos verursachten aber Tag für Tag die Toiletten. Der Ort, an dem die Eleven täglich ihre körperliche Notdurft verrichten wollten, bot ein Schaubild des Schreckens. Betrat man den Ort des Wahnsinns, kamen einem meistens schon ungeheure Wassermassen, hervorgerufen durch Überschwemmungen, entgegen . Vereinzelt sah man auf den Wogen des Wassers sogar schon Surfer, die sich hier im idealen Gewässer für die geilsten Moves sahen. Sollte man dann, und das schafften nicht viele, die Schüssel der Erleichterung erreicht haben, taten sich neue Probleme auf. Soll ich mich hier niederlassen, wo verschiedene Krabbelviecher schon einen Einheitsstaat gebildet haben? Oder, ich weiß nicht, ob ich scheißen oder kotzen soll, aufgrund des widerlichen Gestanks der sich hier ausgebreitet. Besonderes Glück wurde damals den Schülern, die Haus 3 bevölkerten, zu teil.
Einer der zu der Zeit Anwesenden traf es mit
-"Ham wa nich"- schon ziemlich genau. Denn das stille
Örtchen, genannt Toilette, war hier gar nicht existent. Doch
halten wir uns nicht zu lang bei diesem Fehler im System auf, es
gab ja noch andere. Beispielsweise die Klassenräume. Diese,
natürlich spärlich möbliert mit standardmäßigen 16
Schulbänken, manchmal sogar mit passenden Stühlen und jeweils
einem Lehrertisch, waren eigentlich nicht so schlimm. Jedoch war
es nicht für jedermann einfach dem Lehrstoff zu folgen, wenn er
einmal nicht stur an die ständig knarrende Tafel sah. Denn nun
erblickte der Ottonormalschüler entweder Tapete, die noch aus
den Vorkriegsjahren 1617 (vor dem 30jährigen Krieg) zu sein
schien. Oder wenn sein Blick auf die Ecken der Räume fiel,
bröckelnder Zement oder faulige Flecken erschienen, wegen
durchdringender Feuchtigkeit. Bevor ich jetzt meine Bemerkungen
zum Abschluß bringe, möchte ich noch auf ein letztes Manko
hinweisen, den Schulhof. Er gehört zwar nicht direkt zu den
Schulgebäuden, war den Schülern eigentlich als willkommene
Ablenkung von verkalkten Klassenzimmern zugedacht. Allerdings sei
auch hier die Frage erlaubt, wie diese sich entwickeln sollte,
wenn man eigentlich ständig aufpassen mußte, daß man nicht in
die großen Schlaglöcher stolperte. Gut, wir waren gnädig und
freuten uns wenigstens Asphalt und keinen Kartoffelacker als
Auslauffläche zu besitzen, also sei damit meine Kritik beendet.
Denn der Zustand, wie ich ihn auf den letzten zwanzig bis
dreißig Zeilen geschildert habe, war ja nicht von Dauer.
Zu verdanken ist dieses unter
anderem dem heldenhaften Einsatz unseres Schulleiters Herrn
Rainer Schöne. Dieser erreichte mit einem heroisch geschriebenem
Antrag an die Stadt Rostock, die Zuweisung von Fördermitteln in
Höhe von 400000 DM. Nach diesem grandiosen, durchaus seltenen
Erfolg schien unserem Gymnasium eine goldene Zukunft bestimmt.
Aber nicht doch, natürlich gibt es einen Haken. Das Chaos schien
beseitigt zu werden, als die Handwerker ihre Arbeit antraten.
Doch genau da lag das Problem, die Handwerker, sie bescherten
allen Lehren und Schülern Monate, die wie Jahre erschienen, mit
einer unglaublichen Geräuschkulisse. Ich persönlich kenne viele
dieser sogenannten Preßluft - beziehungsweise Bohreropfer, die
durch kontinuierliche Ballerei fast den Verstand verloren haben
und jedes mal zusammenzucken, wenn sie an einer Baustelle
vorbeifahren. Doch damit nicht genug, nicht nur, daß der Krach
besonders bei Klausuren extrem hilfreich war, auch der Müll, der
entstand, wollte kein Ende nehmen. So kam es schon mal vor, daß
sich auf dem Schulhof ein Berg von vermoderten Leitungen, Putz,
Stullenresten und prähistorischen Saurierfunden häufte. Jedoch
nach all diesen Problemen, vor gar nicht so langer Zeit
erstrahlte unsere Schule in neuem Glanz, scheinbar. Wir besaßen
nun eine Stahltür für das Computerkabinett, ein Sprachkabinett,
das einige Monate nach seiner Eröffnung schon nicht mehr genutzt
wurde, weil seltsamerweise eine Menge technisches Zubehör
verschwunden oder zerlegt war, einige Fenster wurden erneuert,
logischerweise fand sich kurz danach ein Stein in jenen, Heizung
und Toiletten wurden rekonfiguriert. Wobei die Toiletten in Haus
drei einen besonderen Trick haben. Hat man die verdammt schwere
Tür erst mal offen und will gemütlich eintreten, bekommt man
von der herannahenden Tür einen Kick,daß man sich auch gleich
an der Wand des Toiletteninnenraumes wiederfindet, der ein oder
andere in leichter Benommenheit. Nicht zu vergessen ist
natürlich die Anschaffung einer hauseigenen Alarmanlage, die
erst durch Herrn Meykes zähen Ausdauer und überragenden
Verhandlungskünste ermöglicht werden konnte. An dieser Anlage
erfreuten sich zahlreiche Menschen. Vor allem aber nächtliche
Besucher, die mit Erklingen der Alarmglocke, nach einem stets
erfolgreichen Raubzug unser Anwesen verließen.Hinzuzufügen
wäre noch, daß das Ahorngymnasium mit Beginn des Schuljahres
verkleinert wurde.
Grund dafür sind zum einen unverständlich
vielen Abwanderungen einiger Schüler, und das absolute
Wahnsinnsprojekt, diese Schule mit Kultstatus zu schließen.
Schluß mit dieser endlosen Dallerei, ich möchte abschließend
festhalten, daß alle Besucher dieser Bildungsanstalt einen
hoffentlich auch schönen Lebensabschnitt hier verbracht haben
und diesen noch möglichst lange in Erinnerung halten. Denn wer
weiß, vielleicht in ein paar Jahren erkennt die Stadt und der
Kultus seinen Fehler, und es gibt ein Comeback des
AHORN-GYMNASIUMs.